Den Wunsch nach einem eigenen Kind haben viele Frauen, unabhängig davon, ob sie mit einem Mann oder einer Frau zusammenleben. Die meisten Reproduktionsmediziner haben sich inzwischen auch auf die Bedürfnisse lesbischer Paare eingestellt.
Um ein gängiges Vorurteil gleich zu Beginn auszuräumen: Die fehlende Vaterfigur sei nicht das Problem, betont Dr. med. Matthias Bloechle vom Kinderwunschzentrum an der Gedächtniskirche in Berlin: „Auch in Hetero-Beziehungen ist es häufig so, dass der Vater vielleicht aufgrund seiner Berufstätigkeit nur selten oder gar nicht anwesend ist. Das Gleiche gilt nach einer Trennung der Eltern. Eine männliche Orientierung für das Kind können auch Freunde des lesbischen Paares, deren Brüder, Väter oder Cousins bieten.“ Bisher hätten internationale Studien über Kinder in reinen Frauenhaushalten keine psychosozialen Auffälligkeiten nachgewiesen. Festgestellt wurde lediglich, dass diese Kinder als Jugendliche weniger Alkohol konsumieren als andere.
Samenspende von Bekannten oder von der Samenbank?
Das größte „Problem“ für lesbische Paare sei, dass sie innerhalb der Partnerschaft keine eigene Samenquelle haben. Daher müssten sich die Frauen vorher überlegen, ob sie einen Bekannten bitten, eine Samenspende zur Verfügung zu stellen, oder ob sie eine anonyme Spende von einer Samenbank nutzen möchten. „Der überwiegende Teil meiner Klientinnen wählt die Samenbank“, erklärt Dr. Bloechle. „Nur 10-15 Prozent entscheiden sich für die private Spende eines Bekannten. Wer letzteren Weg wählt, sollte vorher mit dem Spender besprechen, ob er nach der Geburt des Kindes eine Familienbeteiligung anstrebt und ob diese gewünscht ist. Ein anonymer Samenspender hat den Vorteil, dass er später nicht mitdiskutiert, ob das Kind nun Französisch oder Latein als Fremdsprache wählen soll.“
Wichtig zu wissen: Vom Gesetz her kann jeder Samenspender das Recht einklagen, sein Kind regelmäßig zu sehen. „Und auch viele Kinder hegen im Laufe ihrer Entwicklung den Wunsch, etwas über ihren Erzeuger zu erfahren“, weiß Reproduktionsmediziner Bloechle. „Zur Identitätsfindung reicht häufig schon ein Foto, denn die Kinder möchten sehen, wie ihr Erzeuger aussieht. Einige möchten auch persönlichen Kontakt aufnehmen, um etwas mehr über ihren biologischen Vater in Erfahrung zu bringen.“
Legale Kinderwunsch-Erfüllung nach medizinischen Standards
Die Richtlinien zur Durchführung einer Insemination, einer künstlichen Befruchtung, wurden in Deutschland mittlerweile überarbeitet. So ist es den Ärzten heutzutage erlaubt, die Insemination auch bei unverheirateten Frauen durchzuführen. „Es besteht keinerlei Notwendigkeit mehr, sich allein zum Zweck einer Kindszeugung mit Unbekannten in schummrigen Bars oder Hotelzimmern zu verabreden, womöglich noch gegen Bezahlung“, sagt Dr. Bloechle. „Wir bieten bei uns im Kinderwunschzentrum eine saubere medizinische Beratung und Betreuung. Auch der eigentliche Befruchtungsvorgang ist unproblematisch, sofern die Mutter in spe gesund ist: Wir überprüfen per Ultraschall, wann der Eisprung erfolgt. Die Samenspende wird dann mit einem kleinen Plastikkatheter in die Gebärmutter eingeführt. Dieser Vorgang ist nicht aufwendiger und unangenehmer als ein Krebsabstrich bei einer Routinekontrolle.“
Bei gynäkologischen Besonderheiten, etwa wenn ein Eileiterverschluss oder eine Endometriose diagnostiziert wurden, rät der Reproduktionsmediziner in der Regel zu einer In-Vitro-Befruchtung. Dazu werden während einer kurzen Narkose Eizellen entnommen und außerhalb des Körpers befruchtet. Ein bis zwei dieser befruchteten Eizellen werden dann in die Gebärmutter eingesetzt, bei älteren Patientinnen auch mehr, da die Fruchtbarkeit ab dem 30. Lebensjahr deutlich abnimmt.
Jede Schwangerschaft ist ein kleines Wunder
„Wie bei einer natürlichen Zeugung ist auch bei einer künstlichen Befruchtung nicht garantiert, dass es beim ersten Mal klappt“, so Dr. Bloechle. Nervliche Belastungen, Stress oder Konflikte bei der Arbeit wirken sich häufig auf die Empfängnisbereitschaft aus. Grundsätzlich könne man die Befruchtung aber beliebig häufig wiederholen, so der Kinderwunschexperte. Die Kosten für die künstliche Befruchtung müssen lesbische Paare selbst tragen. Eine Spende von der Samenbank kostet zwischen 500 und 1000 Euro, die Insemination selbst etwa 500 Euro. Für den Fall, dass eine In-Vitro-Befruchtung außerhalb des Körpers notwendig ist, liegen die Kosten bei 4000 bis 5000 Euro. Aber am guten Ende denkt wohl niemand mehr über vergangene Kosten nach. Denn egal ob Single-Mutter, Mann und Frau oder lesbisches Paar – wenn sie ihr Wunschkind endlich in den Armen halten, wird alles andere zur Nebensache.
von Susanne Amrhein, PRIMO MEDICO
Ratgeber-Artikel: https://www.scheidung.org/gericht-bestaetigt-kein-unterhaltsvorschuss-bei-samenspende/