Chromosomenfehlverteilungen tragen maßgeblich zum Verlust von Embryonen vor und nach der Implantation bei. Zahlreiche Studien belegen, daß das Implantationsversagen von Embryonen nach erfolgter IVF/ICSI – Therapie sowie das Auftreten von Aborten im ersten Drittel der Schwangerschaft zu einem erheblichen Anteil
auf spontan entstandene Chromosomenfehlverteilungen zurückzuführen sind. Für die IVF/ICSI – Behandlung liegt daher der Gedanke nahe, durch eine Polkörperdiagnostik Eizellen mit Chromosomenfehlverteilungen vom Befruchtungsvorgang auszuschließen und damit den Anteil transferierter Embryonen mit einem normalen Chromosomensatz maßgeblich zu erhöhen. Es besteht die Möglichkeit, im Rahmen der bei Ihnen geplanten
IVF – oder IVF – ICSI – Behandlung eine Polkörperdiagnostik durchzuführen. Diese Untersuchung kann Aufschluss über die Qualität Ihrer Eizellen geben und die Aussichten auf Erfolg Ihrer Behandlung verbessern. Die Polkörperdiagnostik bietet unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen derzeit die einzige Möglichkeit zu einer chromosomalen/genetischen Untersuchung an unbefruchteten Eizellen. Die nachfolgenden Informationen sollen Ihnen einen Überblick über dieses spezielle Diagnoseverfahren vermitteln und erklären, was es für Sie bedeutet, wenn Sie sich für diese zusätzliche Untersuchung entscheiden.
Allgemeine Informationen
Bei der Reifung einer Eizelle wird der zunächst doppelte Chromo- somensatz durch eine 1. Reifeteilung auf einen einfachen Chromosomensatz reduziert. Ein Chromosomensatz verbleibt in der Eizelle, während der zweite Chromosomensatz unter Bildung des 1. Polkörpers ausgeschleust wird. Nach dem Eindringen eines Spermiums in die Eizelle erfolgt die 2. Reifeteilung, bei der jedes Chromosom in zwei Chromatiden gespalten wird. Ein Chromatiden- satz bleibt in der Eizelle, während der zweite Chromatidensatz unter Bildung des zweiten Polkörpers ausgeschleust wird. Im Normalfall ist die Anzahl der Chromosomen in den Eizellen und in den zugehörigen Polkörpern gleich. Es ist jedoch bekannt, daß chromosomale Verteilungsfehler auftreten können, die zu numerischen Chromosomenanomalien (Aneuploidien) in den betroffenen Eizellen führen. Wenn eine derartige Chromosomen-fehlverteilung auftritt, so ist die Anzahl der Chromosomen in den Eizellen und in den zugehörigen Polkörpern ungleich. Aktuelle wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass Eizellen von Patientinnen im Alter > 35 Jahre eine Chromosomenfehlverteilungs- rate von über 50% aufweisen. (Pellestor et al., Hum. Genet., 112, 2003). Das bedeutet, daß von vorneherein über die Hälfte der Eizellen nicht in der Lage sind, eine gesunde Schwangerschaft hervorzubringen. Dies ist als einer der Gründe dafür zu werten, dass bei Frauen mit zunehmendem Lebensalter die Chance für den Eintritt einer Schwangerschaft sinkt, während gleichzeitig das Risiko chromosomal bedingter Fehlgeburten bis hin zur Geburt eines Kindes, welches von einer Chromosomenstörung (z.B. Downsyndrom) betroffen ist, ansteigt. Relevant sind hierbei vor allem Aneuploidien ( Fehlverteilungen ) der Chromosomen 13, 15, 16, 18, 21 und 22 (Wieacker et al., Reproduktionsmedizin, 18, 2002). Hauptsächlich werden diese Anomalien auf chromosomale Fehlverteilungen zurückgeführt, die in den Eizellen überwiegend während der 1. Reifeteilung stattfinden. (Abruzzo und Hassold, Environ. Mol. Mutagen., 25, 1995).
Durchführung einer Aneuploidiediagnostik an Polkörpern
Prinzipiell wird bei einer Polkörperdiagnostik von der zytogenetischen Analyse der Polkörper auf den genetischen Status der zugehörigen Eizelle zurückgeschlossen. Zielsetzung ist es, auf diese Weise chromosomal gestörte Eizellen zu identifizieren und von dem weiteren Befruchtungsverfahren auszuschließen. Die Entnahme der Polkörper (Polkörperbiopsie), die für diese Untersuchung notwendig ist, erfolgt ca. 2-3 Stunden nach Durchführung der ICSI durch die Eröffnung der Eizellenhülle mit Hilfe eines Laser. Von diesen Polkörpern werden anschließend mikroskopische Präparate angefertigt und ver- schiedene Chromosomen durch ein spezielles Färbeverfahren, welches als Fluoreszenz-in-situ-Hybridisierung (abgekürzt: FISH) bezeichnet wird, sichtbar gemacht.
Auf diese Weise kann in den Polkörpern die Anzahl spezieller Chromosomen bestimmt werden, die Rückschlüsse auf den Chromosomensatz der zugehörigen Eizellen zulässt. Wenn in den Polkörpern eine Kopie für ein bestimmtes Chromosom angezeigt wird, so ist davon auszugehen, dass in der zugehörigen Eizelle auch eine Kopie vorhanden ist. Dies entspricht dem Normalfall. Kann allerdings in den Präparaten der Polkörper für ein bestimmtes Chromosom keine Kopie nachgewiesen werden, so ist anzunehmen,dass in der zugehörigen Eizelle eine Kopie diese Chromosoms zuviel vorliegt und damit eine Chromosomenfehlverteilung stattgefunden hat. Die weitere Kultur einer solchen Eizelle mit Chromosomenfehlverteilung ist damit nicht zu empfehlen.
Die Polkörperbiopsie mit anschließender FISH – Untersuchung ist ein international etabliertes Verfahren und wird zur Diagnostik von chromosomalen Fehlverteilungen mit gutem Erfolg eingesetzt (Munné et al., Prenat. Diagn. 20, 2000).
Nach heutigem Kenntnisstand kann eine Schädigung der Eizellen durch diese Untersuchung ausgeschlossen werden. Die Entnahme des zweiten Polkörpers kann allerdings nicht immer gewährleistet werden, da zum Zeitpunkt der Biopsie dieser noch sehr eng mit der Eizelle verbunden ist und eine gewaltsame Entnahme zu einer Schädigung der Eizelle führen würde. In diesem Fall würde die Untersuchung nur am ersten Polkörper erfolgen. Wir bieten Ihnen an, nach Entnahme der Polkörper die Verteilung der Chromosomen 13, 16, 18, 21 und 22 in Ihren Eizellen durch FISH zu bestimmen. Über die Ergebnisse der Untersuchungen werden sie selbstverständlich im Verlauf Ihrer Behandlung informiert.
Beratungsgespräch
Ein Beratungsgespräch mit einem der behandelnden Ärzte ist vor der Durchführung der Polkörperdiagnostik notwendig. Sollten Sie diese zusätzliche Untersuchung wünschen, so möchten wir Sie bitten,beiliegende Einverständniserklärung zu unterzeichnen, die dann vom behandelnden Arzt gegengezeichnet wird.
Empfehlungen
Eine Grenze der Polkörperdiagnostik besteht darin, dass ausschließlich chromosomale Anomalien erfasst werden können, die mütterlicherseits vererbt werden. Chromosomale Anomalien, die väterlichen Ursprungs sind, können mit dieser Methode nicht bestimmt werden. Da bei der Polkörperdiagnostik FISH – Analysen an einzelnen Zellen vorgenommen werden, entfällt die Möglichkeit einer statistischen Absicherung des Untersuchungsergebnisses. Falsch-positive und falsch-negative Ergebnisse sind damit nicht immer zweifelsfrei auszuschließen. Im Fall einer Schwangerschaft empfehlen wir Ihnen, unabhängig von der Durchführung einer Polkörperdiagnostik die verschiedenen Maßnahmen der vorgeburtlichen Untersuchungen (Pränatale Diagnostik) in Anspruch zu nehmen. Unsere Untersuchungen im Rahmen der Polkörperdiagnostik umfassen nur die Chromosomen 13, 16, 18, 21 und 22. Fehlverteilungen anderer Chromosomen können daher nicht ausgeschlossen werden. Zudem besteht ein 5%iges Restrisiko für eine numerische Anomalie der untersuchten Chromosomen, wenn der zweite Polkörper nicht untersucht wurde.
Im Fall einer Schwangerschaft bieten die vorgeburtliche
Untersuchungsmethoden wie Ultraschalluntersuchungen, Bluttests und genetische Analysen an Chorionzotten- oder Fruchtwasserzellen die Möglichkeit, wesentliche kindliche Fehlbildungen oder genetische Störungen zu erfassen. Sollten Sie hierzu noch weitere Fragen haben, dann empfehlen wir Ihnen zusätzlich, die Möglichkeit einer humangenetischen Beratung in Anspruch zu nehmen.
Ziel der Polkörperdiagnostik
1) Vermeidung der Übertragung von Embryonen mit Chromsomenfehlverteilungen, die nicht zu einer Schwangerschaft führen können oder die im Falle einer Schwangerschaft zu einer Fehlgeburt, welche wiederum eine Ausschabung notwendig macht und mit großen seelischen und körperlichen Schmerzen verbunden ist, führen.
2) Prognosestellung für den weiteren Behandlungsverlauf. Aus den Erfahrungen der internationalen Wissenschaft wissen wir, dass Frauen, welche nur Eizellen mit Chromsomenfehlverteilungen hervorbringen, mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch in künftigen Behandlungszyklen keine gesunden Eizellen bilden werden. Diese Erkenntnis ist zwar sehr bitter, kann aber dennoch zu der Entscheidung führen, weitere Behandlungsversuche nicht mehr vorzunehmen und nicht Belastungen und Kosten auf sich zu nehmen, die in keinem Verhältnis zu den Chancen auf ein gesundes Kind stehen.
Für weitere Informationen sprechen Sie uns bitte an.